Das kurfürstliche Mainzer Lustschloss Favorite

von Paul-Georg Custodis

Der kurfürstliche Lustgarten "Favorite" auf einem Kupferstich um 1700.

Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges hatten auch in Mainz zu erheblichen Zerstörungen geführt, deren Beseitigung Kurfürst Johann Philipp von Schönborn (1647-1673) tatkräftig anging. In den folgenden 100 Jahren wurden zunächst die Festungsanlagen im Umkreis der Stadt ausgebaut, wurde das Bleichenviertel angelegt und entstanden bedeutende Neubauten von Kirchen und Adelspalästen. Mainz wurde nun zu einer stark von barocker Architektur geprägten Stadt.

Zu den großen Bauprojekten jener Zeit gehört die Anlage des kurfürstlichen Lustschlosses Favorite unter Kurfürst Lothar Franz von Schönborn (1695-1729) am Südrand der Stadt vor den Wallanlagen. Dort hatte bereits der Domdechant und Propst von St. Alban, Christoph Rudolf von Stadion, ab 1692 unter Einbeziehung älterer Stiftsgärten seinen "Stadionschen Garten" anlegen lassen. Nach Stadions Tod verkauften dessen Erben im Jahre 1700 die Gartenanlage an eben jenen Lothar Franz von Schönborn. Auf einer Fläche von 140 Metern Tiefe und etwa 400 Metern Länge zwischen Rheinufer und Berghang wurde ab 1702 unter Einbeziehung des Vorgängergartens mit dem Bau der "Favorite" begonnen. 1711/1712 waren die großen Wasserterrassen vollendet. Ab 1717 folgte der Bau der Schlossanlage. Durch das Kupferstichwerk des Salomon Kleiner, das in Augsburg 1727 erschien, sind wir ausführlich über das Schloss Favorite und seine weitläufigen Gärten unterrichtet.

Die Anlage der Mainzer Favorite und ihrer Gartenanlage sind das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Planung zahlreicher Architekten und Künstler, unter dem persönlichen Vorsitz des Kurfürsten als "Erzbaumeister" und mit wesentlicher Beteiligung des Architekten Maximilian von Welsch. Maximilian von Welsch, von der Ausbildung her Festungsingenieur und Soldat und zum Hauptmann aufgestiegen, hatte zunächst den Ausbau der Festungen in Erfurt und Mainz geleitet und wurde 1712 zum Direktor des Militärbauwesens im Kurstaat Mainz und im Fürstbistum Bamberg ernannt. Ihm verdanken wir aber auch Planungen für Schloss Biebrich, den Marstall von Schloss Pommersfelden und die Orangerie in Fulda sowie für zahlreiche weitere Sakral- und Profanbauten. Für die Favorite in Mainz gelang es ihm, eine Schlossanlage von heiterer Eleganz mit weitläufigen Gärten und raffinierten Wasserspielen zu schaffen, die ihresgleichen in Deutschland suchte.

Gallerie des Gartengebäudes

Am Südrand der Gesamtfläche entstand, unmittelbar zum Rhein orientiert, das eingeschossige "Schlösschen". Seine Fassaden waren mit gemalter Scheinarchitektur nach Entwürfen des Italieners Giovanni Francesco Marchini in Freskotechnik verziert. Im Inneren des Rheinschlösschens war ein prunkvoller reich stukkierter Gartensaal der zentrale Raum. Auch dessen Raumfassung stellte eine gemalte Architektur von Marchini dar. Zum Rhein hin schloss sich ein Parterre mit großem Wasserbecken und einer großen Kaskade an. Von den ehemals flankierenden Figuren des Rhein und Main des Bildhauers Johann Wolfgang Fröhlicher wurde die Rhenusfigur 1862 beim Bau der Eisenbahn ausgegraben und steht heute im Stadtpark.

Zum Hang hin folgten sechs Kavaliershäuser, die axial auf eine Orangerie orientiert waren. Hier wurden die Gäste des Kurfürsten untergebracht. Auch der Kurfürst nächtigte zeitweise hier. Alle vorgenannten Gebäude waren 1718 fertiggestellt. Ihre Fassaden waren ebenfalls mit einer aufwendigen Scheinarchitektur reich bemalt.

Technisch aufwendiger war der nach Norden anschließende Gartenteil: Aus der "Proserpina-Fontäne" am obersten Hangrand mit flankierenden wasserführenden Treppen floss das Wasser über eine obere und eine untere Kaskade mit Neptunsgrotte, ehe es in einem großen Bassin endete. Weiter rheinabwärts folgte ein ausschließlich gärtnerisch gestalteter Parkteil mit hohen Hecken aus geschnittenen Kastanien und Hainbuchen sowie weiter oben eine mehrteilige Allee.

Zur Ausgestaltung der Häuser und der aufwendigen Parkanlage zog man berühmte Bildhauer, Gartengestalter und Maler hinzu. Der Schweizer Johann Wolfgang Fröhlicher, der über Frankfurt nach Mainz kam, und Franz Mathias Hiernle aus Landshut statteten die Gärten mit einer Fülle von Plastiken aus. Neben der bereits genannten Figur des Rhein hat sich eine Darstellung des Herkules im Stadtpark erhalten.

Auf Lothar Franz von Schönborn (1695-1729) folgten unmittelbar Franz Ludwig von der Pfalz (1729-1732) und Philipp Karl von Eltz (1732-1743) als Mainzer Kurfürsten. Unter Philipp Karl von Eltz wurde der Nordteil der Favorite wesentlich umgestaltet und dort das "Porzellanhaus" errichtet. Die Planung lieferte der in Paris geschulte Oberbaudirektor Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groensteyn. In dieser Form bestanden die Favorite und ihre Gärten weitere vierzig Jahre, wurden von zahlreichen Besuchern, wie 1781 von Kaiser Joseph II., dem Sohn der Maria Theresia, und von den in Mainz ansässigen, durch die Revolution vertriebenen französischen Emigranten bewundert. Sie gaben den glanzvollen Rahmen für große Feste des Kurfürsten ab. Über das letzte im Schloss vom 19.-22. Juli 1792 unter Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774-1802) veranstaltete Fest liegen ausführliche Berichte, so von Georg Forster, vor.

Die Rückeroberung der Stadt Mainz im Jahre 1793 durch die alliierten deutschen Armeen nach der neun Monate dauernden Besetzung durch französische Revolutionstruppen fügte auch der Favorite erhebliche Beschädigungen zu und führte zum totalen Verlust aller Gebäude und Gärten. Das Gelände blieb für mehrere Jahrzehnte verwüstet, die Steine wurden zum Festungsbau verwandt oder vergraben. Erst nach dem Anschluss von Mainz an das Großherzogtum Hessen wurden die ehemaligen Gärten in den Jahren 1819-1820 durch den Gartenbauer Peter Wolf zum "Stadtpark" umgestaltet. Die zum Rhein hin gelegenen Teile wurden 1858 durch den Bau der Eisenbahn abgeschnitten und zudem durch das 1853-1855 erbaute Gaswerk besetzt.

Benutzte Literatur

Fritz Arens: Maximilian von Welsch (1671-1745), ein Architekt der Schönbornbischöfe, München 1986.
Rudolf Busch: Das Kurmainzer Lustschloß Favorite, in: Mainzer Zeitschrift 44/45 (1949/50), S. 104-127.
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Die Grafen von Schönborn. Kirchenfürsten, Sammler, Mäzene. Ausstellungskatalog, Nürnberg 1989.
Georg Peter Karn: Die Mainzer Kurfürsten von Schönborn und die Kunst, in: Peter Claus Hartmann (Hrsg.): Die Mainzer Kurfürsten des Hauses Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherren (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte 10), Frankfurt a. M. 2002, S. 125-157.
Angela Schumacher/Ewald Wegner (unter Mitwirkung von Hans Caspary u. Paul-Georg Custodis): Stadt Mainz, Stadterweiterungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland - Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2.1), Düsseldorf 1986.
Peter Seewaldt: Giovanni Francesco Marchini. Sein Beitrag zur Monumentalmalerei des Spätbarocks in Deutschland, Egelsbach 1984 (zugl. Diss. Univ. Mainz 1984).
Werner Wenzel: Die Gärten des Lothar Franz v. Schönborn, Berlin 1970.

Dieser Text erschien im Rahmen einer Ausstellung zur Mainzer Favorite im Stadthistorischen Museum auf der Zitadelle im Sommer 2004. Verfasser: Paul-Georg Custodis.

Empfohlene Zitierweise

Custodis, Paul-Georg: Das kurfürstliche Mainzer Lustschloss Favorite. In: festung-mainz.de [27.03.2005], URL: <http://www.festung-mainz.net/bibliothek/aufsaetze/mainzer-stadtgeschichte/favorite.html>
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Literaturhinweis

Die Mainzer Favorite. In: Lebendiges Rheinland-Pfalz - Zeitschrift für Kultur und Geschichte 17 (1980), Heft 6, S. 133-161.

Quelle

Salomon Kleiner fertigte 1726 eine Serie von Ansichten und Grundrissen der Mainzer Favorite an und veröffentlichte sie in Augsburg. [mehr]

Weblink

Lustschloss Favorite
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