1. Nassauisches Infanterie-Regiment Nr. 87

von Wolfgang Balzer

In den ersten Jahren des vorigen Jahrhunderts bestand Nassau aus den beiden Fürstentümern Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg. Während der Fürst von Nassau-Usingen in Biebrich und Wiesbaden residierte, hatte der Fürst von Nassau-Weilburg an der Lahn sein Stammschloß. 1806 wurden beide von Napoleon gezwungen, dem "Rheinbund" beizutreten. In einem Erlaß vom 30. August 1806 erklärten beide Fürsten ihre Gebiete zu "einem unteilbaren, vereinten und unabhängigen Herzogtum". In diesem vereinigten Land übernahm das Haupt der Fürstenfamilie, Fürst Friedrich August von Nassau-Usingen, die Herzogwürde. Zugleich erhielt er auch den Oberbefehl über die nassauischen Truppen.

Das 1. Bataillon (Leibbataillon) stand damals in Wiesbaden, das 4. (Musketierbataillon) in Biebrich. Am 9. März 1809 wurden beide auf Befehl Napoleons zum 1. Nassauischen Infanterie-Regiment vereinigt, es waren sechs Kompanien mit rund 4000 Mann, die unter dem Befehl des Obersten von Pöllnitz standen. Schon am 8. April 1809 mußte es zum Abmarsch nach Österreich bereit sein. Unter dem Befehl des Marschalls Kellermann rückte das Regiment an jenem Tag in Wiesbaden aus und zog am 14. Juni 1809 in Wien ein. Der Ausmarsch von dort folgte bereits am 21. Oktober 1809. Da Napoleon für seinen Spanienfeldzug frische Truppen benötigte, kam die Marschorder: "Nach Spanien hinein."

Am 14. März 1810 begann die Operation. Drei Jahre lang mußte das Regiment im Dienste Napoleons in Spanien für eine fremde Sache bluten. Noch tobten die Kämpfe in Katalonien, als die Nachricht von der Völkerschlacht bei Leipzig eintraf. Ein Fürst des Rheinbundes nach dem anderen schlug sich auf die Seite der siegenden Preußen und Österreicher. Meutereien und Überläufe von Truppen waren an der Tagesordnung. So auch bei den Nassauern. Während es dem 2. Nassauischen Regiment, ebenfalls in Spanien, gelang, sich mit den (feindlichen) Engländern, also gegen Napoleon, zu vereinigen, wurde das 1. Regiment in Barcelona von den Franzosen entwaffnet und in Kriegsgefangenschaft geführt. Jedoch im Februar konnte der Marsch zum Rhein angetreten werden.

Nach einem Jahr Heimatruhe stürzte sich das Regiment in sein nächstes Kriegsabenteuer zur endgültigen Niederwerfung Napoleons. Mit anderen nassauischen Einheiten stieß es zur englischniederländischen Armee unter Wellington, Das Kommando über das aus drei Bataillonen zu je 1000 Mann bestehende 1. Regiment Nassau hatte Oberst von Steuben. Ende 1815 zogen die glorreichen Nassauer in Wiesbaden ein und brachten als Beute aus der Schlacht bei Waterloo sechs Geschütze mit, die dann den Grundstein der nassauischen Artillerie bildeten. 1866 kämpfte das 1. Regiment an der Seite der süddeutschen Armeen und Österreichs gegen Preußen. Durch deren Sieg jedoch wurde Nassau preußisch. Als nunmehrige Einheit der preußischen Armee erhielt es die Nummer 87.

Für die nächsten Jahrzehnte kam es nach Mainz in Garnison. Unterkünfte waren Eisgrubkaserne, Defensionskaserne, Prinz Karl - Kaserne, Alexanderkaserne. Der Krieg von 1870/71 unterbrach die Ruhe. Mit der Belagerung von Paris, dem Einzug in die französische Hauptstadt und der Parade vor Kaiser Wilhelm erlebten die 87er die Schlußphase des Krieges. Im Juni konnten sie den Rückmarsch in die Heimat antreten. Im Juni 1899 wurde dem Regiment durch "allerhöchste Kabinettsorder" das Helmband "La Belle Alliance" verliehen (so bezeichneten die Franzosen die Schlacht bei Waterloo).

Am 20. August 1914 erhielt das Regiment im Ersten Weltkrieg bei Longlier die "Feuertaufe". Im Jahr 1916 gehörten die 87er zu den Truppenteilen, die dazu bestimmt waren, Verdun, den Eckpfeiler der französischen Front, zu nehmen. Bei Flabas, im Fossewald und bei Douaumont wurden 30 Offiziere, 61 Unteroffiziere und 636 Musketiere getötet. Ein neuer Einsatz folgte 1916 in der Sommeschlacht. Als im April 1917 die Divisionen des französischen Generals Nivelles zwischen Reims und Laon angriffen, stand das Regiment wieder im Brennpunkt der Schlacht. Vorübergehend kämpfte es im Sommer 1917 an der Ostfront, kam aber im Herbst nach Frankreich zurück (Amiens). Noch wenige Tage vor dem Waffenstillstand, am 4. und 5. November 1918, warfen die 87er Amerikaner und Franzosen an der Schelde zurück und machten dabei die vermutlich letzten Gefangenen des Krieges auf deutscher Seite. Der Rückmarsch des Regiments erfolgte durch Belgien und bei Düsseldorf über den Rhein. Am 1. Mai 1919 wurde das Regiment in Bad Orb aufgelöst.

Tatsächlich war das 1. Nassauische Infanterie-Regiment Nr. 87 als Wachregiment für das National-Denkmal auf dem Niederwald bei Rüdesheim bestimmt gewesen. Deshalb nannte es sich auch "Germanias Leibregiment". Vom 13. bis 15. Juli 1959 feierte das Regiment in seiner alten Garnisonsstadt Mainz seinen 150. Gründungstag. 1966 folgte die Feier seiner 100jährigen Verbundenheit mit der Stadt, die noch heute viele ehemalige 87er beherbergt.

Empfohlene Zitierweise

Balzer, Wolfgang: Das 1. Nassauische Infanterieregiment In: festung-mainz.de [01.05.2005], URL: <http://www.festung-mainz.net/bibliothek/aufsaetze/regimentsgeschichte/87er.html>
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