Militärbauverwaltungen in Mainz

von Hans-Rudolf Neumann

Mainz kann als eine der ältesten Festungen Deutschlands angesehen werden. Seine strategische Bedeutung resultierte aus der Lage am Rhein, der Mainmündung gegenüber gelegen, als Stützpunkt für jede Macht, die nach Deutschland eindringen oder die Länder östlich des Rheins bewachen wollte. Vielfältige Garnisonsbauten und Festungswerke zeugen von großer Militärgeschichte. Geplant und errichtet wurden sie von Ingenieur-Offizieren, die entweder als Baumeister in fremden Diensten standen oder in militärischen Korps verwaltungsmäßig zusammengefaßt waren.

Claudius Drusus, der Erbauer des Castellum Mogontiacum als erstem befestigten Lager in Mainz, erkannte bereits 14 v. Chr. die Wichtigkeit dieses Platzes als Festung; bis zum Ende der Römerherrschaft um 350 n. Chr. war Mainz uneinnehmbar. Während der Völkerwanderung blieb die Stadt der Plünderung preisgegeben. Erst nachdem der Frankenkönig Dagobert den Ort erneut hergestellt hatte, legte Bischof Siegbert, um das Jahr 712, wieder Mauern um die Stadt.

Bis zum Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) war Mainz eine gut befestigte Stadt mit wehrhaften Mauern und Türmen. Zur Martinsburg, am Rhein als Sonderbefestigung entstanden, kam schon um 1620 die Schweikardsburg hinzu: der befestigte Jakobsberg (heutige Zitadelle), als dessen Architekt und Ingenieur Adolf von Waldenburg zu gelten hat (Bauherr Kurfürst Schweikard von Kronberg). Mehrere Militär- und Festungsingenieure bauten Mainz in kurfürstlicher und in französischer Zeit bis 1814 zur bedeutendsten Festung am Rhein aus. Es seien Namen genannt wie diejenigen der Baumeister Michael Kauth, Johann Baptist von der Driesch, Matthias von Saarburg, Alexander von Claris, Johann Ludwig Sauffleur und Joseph Johann Spalla oder die Namen der Bauführer Lucas Rosa und Antonio Righi, die in Diensten der Kurfürsten standen.

Nach 1710 errichtete Johann Maximilian von Welsch (1668-1745) eine Reihe von Bauten, die noch heute das Stadtbild bestimmen (Neues Zeughaus, heute Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz). Unter der französischen Besatzung konstituierte sich die "Fortification de Mayence". Geniedirektoren wie de Léry (1800), André Baron de Chambarlhiac (1805), Luzy (1812) oder Lapisse (1814) bestimmten die Garnisons- und Fortifikationsplanung; Kaiser Napoleon 1. selbst griff in die Stadtplanung mit ein.

Größte Bedeutung als Festungsstadt, aber auch zur Ausbildung von Verwaltungsstrukturen moderner Prägung erlangte Mainz während der Zeit des Deutschen Bundes (1814-1866). Die Festung wurde von Österreich und Preußen gemeinsam verwaltet. Die von Preußen geleitete Geniedirektion sah in den 52 Jahren ihres Bestehens insgesamt 163 preußische und österreichische Ingenieur-Offiziere, die zahllose Festungswerke und Garnisonsgebäude (Kasernen, Lazarette, Magazine) planten und bauten.

Insgesamt wurden für Neubauten und Bauunterhalt mehr als 16,6 Millionen rheinische Gulden ausgegeben. Mainz wurde das steinerne "Bollwerk Deutschlands am Rhein". Nicht unwesentlich zu diesem Erfolg trugen die Geniedirektoren bei. Es waren Ingenieur-Offiziere wie Le Bauld de Nans (1814-1817), Carl von Vigny (18171837), Johann Pientka gen. Haak (18371843), Ludwig Lindow (1843 bis 1851), Albert von Köckritz (1851 bis 1856), Fedor Neuland (1856-1858), Heinrich von Ernst (1858-1861), Ferdinand Schulz (1861-1863), Hans Alexis Biehler (1863-1865) und Hermann August von Gaertner (1865-1868). Die preußischen Könige entsandten sie an den Rhein, damit sie Bauaufgaben größter Dimension bewältigten, die ihnen die Deutsche Bundesversammlung in Frankfurt am Main zum Zweck der gemeinsamen Verteidigung Deutschlands stellte.

Die preußische Festungsinspektion in Koblenz und die Festungsabteilung der Militär-Kommission in Frankfurt, aufgrund ihrer Funktionen und ihres Aufgabenbereichs in gewisser Weise Vorläufer einer heutigen Landesbauabteilung der Oberfinanzdirektion, wachten darüber, daß die Bauten technisch und haushaltsrechtlich korrekt erstellt und abgerechnet wurden. Sie sorgten durch technische Erlasse und Verordnungen für statische und bauphysikalische Sicherheiten in allen Militärbauten, durch Jahresbudgets und Titeleinteilung für die rechtzeitige Bereitstellung von Finanzmitteln zur Durchführung von Neubau- und Unterhaltsarbeiten.

Trotz der großen Verantwortung und der vielfältigen Aufgaben war die Bezahlung der Ingenieur-Offiziere schlecht, eine preußische Tradition, die sich bis heute fortgesetzt hat. Ein hoher Ingenieur-General in Berlin, Moritz von Prittwitz und Gaffron, urteilte: "Bei den höheren Baubeamten ist das Ehrgefühl, selbst bei schwachen Besoldungen, wohl immer mächtig genug, Lockungen zu widerstehen. Schwieriger ist es bei den Unterbeamten, besonders wenn dieselben, wie es bei uns leider häufig der Fall ist, zu schlecht besoldet sind. Eine gute, ja reichliche Besoldung derselben ist daher die erste Bedingung und Gewähr ihrer Zuverlässigkeit und Integrität, und auch bei den höheren Baubeamten wird der grelle Unterschied, der sich in neuerer Zeit bereits zwischen den Gehältern der Staatsbaubeamten und der von Privatgesellschaften Besoldeten gezeigt hat, über kurz oder lang die Veranlassung sein müssen, die ersteren besser zu besolden."
Es ist dennoch erstaunlich, was diese straff geführte, mit Offizieren verschiedener Nationalitäten besetzte Mainzer Geniedirektion zustande brachte. Viele Festungsteile und Kasernenbauten im Stadtbild zeugen noch heute von diesem Wirken (Preußische Hauptwache am Dom, Citadellkaserne, Alexanderkaserne, Proviantmagazin, Reduitkaserne in Kastel).

Nach dem Auseinanderbrechen des Deutschen Bundes im Jahre 1866 nannte sich die Geniedirektion nun, unter alleiniger Führung Preußens, "Fortifikation". Ihr Aufgabenschwerpunkt lag weiterhin auf der Planung und auf dem Neu-, Aus- und Umbau von Festungswerken. Dieser Zustand währte bis 1918.
An der Spitze der Fortifikation stand der "Ingenieur vom Platz" im Rang eines Majors oder Oberstleutnants. Namen wie diejenigen der Stabsoffiziere v. Wangenheim (1868/69), v. Uthmann (1870/ 72), Labes (1873/77), Andreae (1878/80), Eckert (1882/83), Weber (1884/87), v. Wittenburg (1888), v. Rössing (1889), Volkmann (1890/92), Grieben (1893/94), Fellbaum (1895), Krause (1896/97), Rommel (1898/1901), Schott (1902/03), Gerding (1904), Ouassowski (1905/10), Klotz (1911/12) und v. Bieberstein (1913/14) müssen genannt werden.

Etwa nach 1871, mit Gründung des Deutschen Reiches, bildete sich in der preußischen Militärbauverwaltung immer mehr ein eigenes Garnisons-Bauwesen heraus. Anfänge sind in Berlin und Charlottenburg, in Potsdam, Köln, Deutz und Bonn zu beobachten. Es waren selbständige Behörden, die meist aus Bauinspektoren und Landbaumeistern bestanden. Auch in Mainz trat neben die Fortifikation eine Garnisons-Bauverwaltung. Für das Jahr 1878 weist die königlich-preußisehe Rangliste S. L. Reinmann als Garnisonsbaumeister in Mainz aus, der dem Intendantur- und Baurat Beyer im XI . Armee-Korps unterstand. Reinmann avancierte in der Folgezeit zum Garnisons-Bauinspektor (1881-1884), zum Baurat (1903) und zum Geheimen Baurat (19061909).
Die vielfältigen Aufgaben in Mainz im Bereich des Kasernenbaus ließen in Mainz zwei, dann drei Militär-Bauämter entstehen. Die Rangliste weist für das Jahr 1903 im Bereich der Intendantur des XVIII. Armeekorps ein Amt "Mainz I" unter Leitung des Baurates Reinmann und ein Amt "Mainz II" unter Leitung des Baurates Schrader aus. Im Jahr 1909 fungierten als Vorstände der mittlerweile auf drei Ämter angewachsenen Behörden der Geheime Baurat Reinmann und die Bauräte Schrader und Albert. Reinmann wurde 1910 von Militär-Bauinspektor Porath (1911: Regierungs-Baumeister, 1913: Baurat) abgelöst.

Nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) sah der Artikel 180 des Versailler Vertrags die Entfestigung aller Fortifikationen am Rhein vor. Auch in Mainz wurde ein Entfestigungsamt eingerichtet, das unter der Leitung des Generals Klotz (früher Platz-Ingenieur) stand. Alle Garnisonsgebäude befanden sich meist im militärfiskalischen Besitz und gehörten somit dem Deutschen Reich. Sie wurden von den Siegermächten in aller Regel beschlagnahmt und dienten den Besatzungstruppen als Unterkunft. Um die Interessen des Reiches zu wahren, aber auch, um die vielfältigen Bau- und Unterhaltungsaufgaben, die die Besatzungsmächte forderten, durchführen zu können, wurde die Reichsvermögensverwaltung gegründet. Sie bestand vom 1. Oktober 1919 bis zum 30. September 1930. Ende Juni 1930 hatten die letzten französischen Besatzungssoldaten Mainz verlassen. Innerhalb dieser Reichsvermögensverwaltung befanden sich in Mainz das bereits erwähnte Entfestigungsamt, zwei Reichsvermögensämter sowie ein Reichsverpflegungsamt. Die Gründung eines Reichsneubauamtes wie in Köln, Bonn oder Koblenz war in Mainz nicht notwendig, da die Betreuung der vorhandenen, ehemals militärfiskalischen Bausubstanz vollauf von den beiden Reichsvermögensämtern wahrgenommen werden konnte. Im wesentlichen lagen die Aufgaben der Reichsvermögensverwaltung in der Durchführung von Bauaufgaben an reichseigenem sowie an beschlagnahmtem Grundbesitz mit Gebäuden.

Am 7. März 1936 besetzte die Hitlersche Wehrmacht die Rheinlande. Im Rahmen der Truppengarnisonierung galt es, neue Bauaufgaben zu bewältigen. Es entstanden Heeresbauämter, die sich vor allem dem Bau von Kasernen widmeten. Die neuen Fortifikationsbauten gegen Frankreich, die um 1938, vom Rhein ausgehend, tiefgestaffelt bis zur Westgrenze Deutschlands gebaut wurden (Westwall mit Logistik, Hunsrückhöhenstraße, Bunkersysteme, Hochbunker als Luftschutzbunker für die Zivilbevölkerung), bedingten zusätzliche Verwaltungsorganisationen wie zum Beispiel den "Reichsarbeitsdienst" oder die "Organisation Todt".

Mit der Kapitulation der Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg. Bereits im Juli 1945 wurde das Reichsbauamt Mainz von der französischen Besatzungsmacht beauftragt, die Kathen-Kaserne in Gonsenheim wieder instandzusetzen. Baudirektor Gottfried Lenzen, Leiter des Militärbauamts Mainz, dem die Durchführung der Bauaufgaben für die Besatzungstruppen in dieser Stadt oblag, hielt unter dem Datum des 2. Januar 1946 als weitere Aufgaben die finanzielle Regelung von Firmenrechnungen und die Behandlung von Liegenschaftsfragen fest.

Neben dem Militärbauamt Mainz wurde, für die Dauer von etwas mehr als drei Jahren, am 6. August 1946 ein Sonderbüro für die Bauten der Militärregierung unter Leitung des Regierungsbaurats Delp gebildet (Auflösung: 31. Dezember 1949). Im Zuge des demokratischen Wiederbeginns und unter Berücksichtigung des neu gebildeten Landes RheinlandPfalz verfaßte Baudirektor Lenzen am 18. Februar 1947 eine Denkschrift, in der er auf die Integration der Bauverwaltung in die Landesverwaltung hinwies. Der Territorialbereich des Militärbauamts Mainz umfaßte am 1. August 1947 die Kreise Mainz, Worms, Alzey, Bingen und Bad Kreuznach.

Die Entmilitarisierungspraxis der Siegermächte machte auch vor der Militärbauverwaltung nicht halt. Am 1. Januar 1948 wurde das Militärbauamt Mainz in "Sonderbauamt für das franz. Militärbauwesen (SFM)" umbenannt.
Die Baubehörde führte diese Bezeichnung lange Zeit bis zur Integration in die Finanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz und bis zur Umbenennung in "Finanzbauamt Mainz". Die organisatorische Gleichstellung mit den Staatshochbauämtern des Landes brachte auch für die Finanzbauämter im Jahr 1980 die Bezeichnung "Staatsbauämter". So heißt das betreffende Mainzer Bauamt heute "Staatsbauamt Mainz-Nord". Damit steht dieses Amt in der direkten verwaltungsmäßigen Tradition einer fast 200jährigen Geschichte. Die Aufgaben sind jedoch die gleichen wie in der Vergangenheit unter wechselnden Regierungen und Staatsformen, wie vor 100 oder 200 Jahren geblieben: die Errichtung von Bauten zur Befriedigung des menschlichen Schutz- und Sicherheitsbedürfnisses.

Empfohlene Zitierweise

Neumann, Hans-Rudolf: Militärbauverwaltungen in Mainz. In: festung-mainz.de [02.01.2007],
URL: <http://www.festung-mainz.net/bibliothek/aufsaetze/festungsgeschichte/verwaltungen.html>
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