Der Napoleonstein in Mainz-Gonsenheim

von Franz Dumont

Oberer Teil des Napoleonsteines in Gonsenheim

Wie in Mainz, in Hechtsheim, Ober-Olm und vielen anderen Orten Rheinhessens und der Pfalz gibt es auch in Mainz-Gonsenheim ein Denkmal für die in den napoleonischen Kriegen gefallenen Bürger der Gemeinde. Es ist der „Napoleonstein“, der 1839 auf dem damaligen Friedhof (der heutigen Pfarrer-Grimm-Anlage) vom örtlichen „Veteranenverein“ aufgestellt wurde. Die Stele ist von einem „N“ in einem Sternenkranz bekrönt und ihre mittlere Inschrift lautet: „Denkmal / der unter den Fahnen Napoleons gefallenen / Gonsenheimer, von ihren / aus den Feldzügen zurückgekehrten Waffenbrüdern auf dem Friedhof von Gonsenheim / Errichtet im Jahre des Herrn 1839, Erneuert 1926“. Auf dem Denkmal sind aber nicht nur die elf Gefallenen, sondern auch sämtliche – damals noch lebenden – Vereinsmitglieder aufgeführt. Er ist also ein Zeichen der lange anhaltenden Verehrung (um nicht zu sagen: Verklärung) des  „Empereurs“ Napoleon, der 1821 auf der Atlantikinsel St. Helena gestorben war.

Gesamtansicht des Napoleonsteines

Der „Napoleonstein“ erinnert aber zugleich an die Schattenseite der „Franzosenzeit“ auf dem linken Rheinufer (1798-1814) – die „Konskriptionen“. Damit sind die von Jahr zu Jahr sich steigernden Einziehungen von jungen Männern zum Dienst in der französischen Armee gemeint. Schon 1793 hatte die junge Französische Republik die allgemeine Wehrpflicht  eingeführt („Levée en masse“). Doch erst mit der Machtübernahme des Generals Napoleon Bonaparte im November 1799 wurde dies zum Problem, weil immer mehr Soldaten in immer kürzeren Abständen rekrutiert wurden. In den rheinischen Départements geschah das allerdings erst seit ihrer „endgültigen“ Gleichstellung mit denen des inneren Frankreich im September 1802. Seitdem musste der „Maire“ (Bürgermeister) des  Ortes (in Gonsenheim hieß er natürlich Becker) mindestens ein-, wenn nicht sogar zweimal im Jahr (oder noch öfter) den „Rekrutierungsausschuss“ einberufen, der alle über 16 Jahre alten männlichen Einwohner auf ihre Tauglichkeit zum Militärdienst überprüfte. Wer körperlich behindert oder zuhause unabkömmlich war, war grundsätzlich befreit oder wurde zurückgestellt bzw. „ans Ende des depots“ gestellt; auch gab es die Möglichkeit, sich gegen Geld durch einen „Einsteher“ vertreten zu lassen. Wer sich dem Wehrdienst entzog, wurde als „réfractaires“ (Fahnenflüchtiger) von der Polizei verfolgt und strafrechtlich belangt.

Gerade in Gonsenheim scheint es ziemlich viele „réfractaires“ gegeben zu haben. Von den dann wirklich eingezogenen 40-50 Gonsenheimern ist etwa ein Viertel bei den verlustreichen Feldzügen Napoleons in Portugal, Spanien, Österreich und Russsland ums Leben gekommen. Dennoch erfreute sich der „Empereur“ hier wie auf dem ganzen linken Rheinufer noch relativ lange großer Beliebtheit, denn er hatte nicht nur Krieg und Wehrdienst, sondern auch viele Soldaten in die Weite der Welt , vor allem aber gesellschaftliche und juristischen Fortschritt gebracht. Insbesondere durch den hier bis 1900 gültigen „Code Civil“, dem französischen Gesetzbuch zum Zivilrecht.

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