Der Stützpunkt "Auf der Muhl"

von Rudolf Büllesbach

Der letzte und äußerste Befestigungsring von Mainz

Plan der Festung Mainz kurz vor dem 1. Weltkrieg; das "Fort Muhl" ist rot markiert [StA Mainz BPS]

Um 1900 war die Festung Mainz hoffnungslos veraltet: den neuen Langrohrgeschützen und den Granaten mit neuen Sprengstoffen waren sie schutzlos ausgeliefert. Hinzu kam, dass nach dem Krieg 1870/71 mit der Eingliederung von Elsaß-Lothringen die deutsche Westgrenze nach Frankreich vorgerückt war und Mainz dadurch seine strategische Bedeutung verloren hatte. Folge dieser Entwicklungen war, dass 1904 der Rheingauwall und der barocke Südwestwall vom Militär freigegeben wurden – auf Anordnung des Kaisers. Die Stadt konnte sich nun nach allen Richtungen ausdehnen.

Trotzdem blieb Mainz auch weiterhin Festungsstadt. Am 23. Januar 1900 erging eine Anordnung des Armeekommandos, in der im Teil III „Das westliche Kriegstheater“ angeordnet wurde, eine „Selzstellung“ kriegsmäßig auszubauen. Ein Gürtel aus einzelnen Bunkern sollte die Stadt  Mainz in einem Umkreis von 10-15 km umgeben und sich durch die rheinhessischen Ortschaften Heidesheim, Wackernheim, Ober-Olm, Nieder-Olm, Zornheim, Gau- Bischofsheim und Ebersheim ziehen. Insgesamt wurden für die „Selzstellung“ bis 1915 auf einer Länge von ca. 26 km insgesamt 318 Bunker und Stützpunkte aus Beton errichtet.

Stützpunkt Auf der Muhl

Der Betonbunker des Stützpunktes "Auf der Muhl" vor der Sprengung

Vor diesem Hintergrund wurde bei Ebersheim zwischen 1908 und 1911 auf einem Terrain von ca. 40 Morgen (etwa 8 ha) die mehrstöckige Festungsanlage des Fort Muhl (offizieller Name: Stützpunkt „Auf der Muhl“) als Infanteriestützpunkt für eine Kompanie, verstärkt durch die doppelte Bedienung für 4 Maschinengewehre, erbaut. Die im Kriegsfall vorgesehene Besatzung betrug  insgesamt 291 Mann. Das Fort stand auf der Grenze nach Zornheim und Nieder Olm. Heute stehen hier vier Windräder und ein Wasserspeicher.

Das Fort Muhl stellte das Hauptwerk der Selzstellung dar. Die Betonfront  war 3 m, die Rückseite 1,50 m und die Decke 2,50 m dick. Das Fort verfügte über eine eigene Strom- und Wasserversorgung, Küchen und Vorratsräume, Verbands- und Operationssaal und Maschinengewehrstände. Ausgestattet war das Fort mit einer Ofenheizung und einem Wasserkeller, der für 90 Tage reichte. Eine eigene Wasserversorgung durfte ebenfalls nicht fehlen. Aus diesem Grunde wurde Ebersheim viel früher als viele andere Gemeinden in Rheinhessen bereits 1908 an eine Wasserversorgung angeschlossen. In Ebersheim befanden sich neben dem Fort Muhl weitere 7 stark betonierte Befestigungsanlagen (z.B. beim Durchgang Nieder-Olmer-Straße/Lorenz-Schneider-Straße, in den Bereichen des neuen, aber auch des alten Sportplatzes mit dem Militär-Lagerplatz und dem heute noch bestehenden Gebäude des Kommandanten, der Kreuzung Nieder-Olmer-Straße/Peter Hofmann-Straße).

Die Versorgung von Fort Muhl und der übrigen Bunkeranlagen erfolgte auf Militärstraßen. Neben diesen verlief auf einer Länge von ca. 40 km eine Festungsbahn. Diese führte auch durch Ebersheim und auf dem Gelände des heutigen Friedhofs befand sich ein Bahnhof.

Nach dem 1. Weltkrieg: Abriss

Nach der Sprengung 1922 [Fotos: Stadtarchiv Mainz BPS]

Nach dem Ersten Weltkrieg war das Ende der Festung Mainz und damit auch von Fort Muhl und der Festungsbahn besiegelt. Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages aus dem Jahre 1919 mussten alle Festungswerke zerstört werden. Diese Aufgabe übernahm das neu geschaffene Entfestigungsamt Mainz. Das Fort Muhl wurde ebenso wie die anderen Befestigungsanlagen in Ebersheim im Jahre 1922 gesprengt. In den darauf folgenden Jahren wurden viele Trümmer von "Notstandsarbeitern"  in mehr als 629 Tagewerken beseitigt und beispielsweise für die Befestigung der Weinbergstraße verwendet. Die gesprengten Anlagen blieben aber noch viele Jahre die Ausflugsziele für Veteranenvereine und spannende Spielplätze für die Kinder und Jugendlichen. Heute sind die Spuren der militärischen Vergangenheit von Ebersheim zugewachsen oder überbaut und es erinnern nur noch wenige Steinbrocken an "die hohe strategische Bedeutung unseres Ortes" (so zu lesen in der Festschrift des Gesangvereins "Concordia" aus dem Jahr 1913). Seit Dezember 2006 steht das Gelände des ehemaligen Fort Muhl unter Denkmalschutz.

Text: Rudolf Büllesbach, www.ebersheimer-album.de. Red. bearb, S. Dumont.

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